Auch Medienlernen ist eine Frage des persönlichen Engagements

Als Lehrer der Klasse, die 1999 mit ihrem kleinen Klassen-PC-Netz startete, um die Möglichkeiten der IT-Welt für die Schule zu erproben, kann ich auf vier aufregende und erkenntnisreiche Jahre zurückblicken. Sie haben mich in einem bestätigt, dass Medienarbeit vor allem eine Arbeit mit Menschen ist, frei nach dem Motto „ Medien – das sind wir selbst!“ oder anders ausgedrückt „Was wären wir ohne uns“?


Compis für Kids – Kids für Compis

Wenn wir nach vier Jahren Pionierarbeit „Unsere Schule wird vernetzt“ eine Zwischenbilanz ziehen, so können wir mit Freude und Stolz auf die Tatsache verweisen, dass es unserer Schule in diesem Schuljahr tatsächlich gelungen ist, alle Klassen mit mindestens einem Rechner ans Netz zu bringen. Online-Bildung in allen Klassen kann dadurch täglich probiert und geübt werden. Diejenigen Schüler und Klassen, die wir schon vorher in die IT-Welt surfen lassen konnten, ermutigten uns immer wieder, unseren Weg weiter zu gehen. Die SchülerInnnen achteten auf „ihre“ PC´s, nicht einer wurde mutwillig beschädigt, auch das Surfen auf den unerlaubten Seiten blieb aus, auch ohne „Filtersoftware“!
Die Aktion des WDR und des Bildungsministeriums aus dem Jahre 1999 „Compis für Kids“ beantworteten unsere Schüler mit „Kids für Compis“!

Maria Montessori oder wie man gemeinsam Berge versetzen kann ....

Es ist wohl kein Zufall, dass es eine Hauptschule ist, die sich an der Pädagogik Maria Montessoris orientiert und die aus eigener Kraft das Schulvernetzungsprojekt anpackte und realisierte. „Hilf mir, es selbst zu tun!“ ist das bekannte pädagogische Motto Montessoris. Angewandt auf unser Vernetzungsprojekt heißt dies: Bei aller Eigeninitiative der Schulleitung, Lehrer, Eltern und Schüler galt es immer wieder, sich um Partner zu bemühen. Diese zu finden ist ein Beispiel für die Öffnung der Schule nach außen, eine kontinuierliche Schule des Werbens und des Kontaktens. Unseren "großen Medienbuddys" zu danken ist mehr als eine Selbstverständlichkeit. Die vom Bildungsministerium motivierten Hauptsponsoren Microsoft und Telekom sorgten für wichtige Logistikbereiche, e-school für Hardware und fachmännische Abnahme der Vernetzungsarbeiten und viele Firmen mit PC-Spenden dafür, dass wir mittlerweile über 30 gesponserte PC´s ins Netz einbauen konnten. Die angefallenen Software- und Hardware-Investitionen hätten unseren Etat über Jahrzehnte hinaus blockiert und komplett überfordert. Die laufenden Onlinekosten nicht tragen zu müssen, ist eine weitere Entlastung und wir hoffen inständig, dass die Aktienkurse der Telekom nicht weiter fallen...!

„We are family“ !

Überhaupt kam viel zusammen: Wir Lehrer einigten uns auf das Vernetzungsprojekt und viele begannen wieder von Neuem zu lernen, schafften sich die „Kisten“ auch privat an und klickten sich in diese neuen Möglichkeiten, Informationen auszutauschen und aufzunehmen. Unsere Medienfachkonferenz wurde die Fachkonferenz mit den meisten Meetings. Nicht zuletzt können wir es unserem „We are familiy“- Feeling unserer Schule danken, dass wir auch immer wieder Unterstützung unserer ehemaligen Schüler erfahren können. Allen voran sorgte Michael Krebs als heutiger IT-Profi für administrativen Support im Verbinden und Anwenden der Ressourcen und ebnete uns erst dadurch diesen großen Sprung in die Zukunft. Er ist übrigens mit seiner Firma auch der Sponsor unseres diesjährigen netdays-Projekts.
Worauf will ich hinaus? Ich möchte betonen, dass ohne die Begeisterung und Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und auf die Kräfte der Gemeinschaft zu setzen, weiter graue Theorie herrschen würde. Genau dieser motivierende Funke ist es, der auch SchülerInnen in Gang setzt. Wer von etwas überzeugt ist und sich mitteilt, wirkt nicht nur authentisch, er oder sie ist es auch.
Und so brauchen wir die Schüler nicht „überzeugen“, sondern sie motivieren sich selbst, weil sie z. B. von ehemaligen Schülern, die uns immer wieder besuchen, hören, wie wichtig es im Berufsleben ist, sich auch mit den neuen und alten Medien auszukennen.

Genau dies ist unsere Aufgabe: Vorbereitung der SchülerInnen für ihre Teilhabe in Gesellschaft und Arbeitswelt. Wir bieten ihnen in unserem Unterricht, vor allem in der Freiarbeit, im projektorientierten Unterricht und den Arbeitsgemeinschaften vorbereitete Räume, sich und die Welt zu entdecken, sich im „als ob“-Test immer wieder selbst mit anderen zu erproben.
Einfühlung, Wertschätzung und Echtheit sind die wichtigen Grundlagen für unsere Beziehungen zu Schülern. Sie sind das wichtigste Angebot, das wir als Lehrer - neben der Sach- und Bedeutungsrelevanz der Lehrinhalte - unseren Schülern machen können. Die Schüler lohnen es durch ihre Initiative, ihre Ideen und Arbeitseinsätze. Unsere netdays-Projekthomepage wäre ohne ihre "Sonderschichten" an Nachmittagen oder auch an Samstagen nicht realisierbar gewesen.

Schneeball „Medienbuddy“ – dann klappt´s auch mit den neuen Medien ...

Interessant finde ich in diesem Zusammenhang den Transfer einiger Schüler meiner 8b, die während der netdays-Arbeit die Medienbuddys „erfanden“. Ein Schneeballsystem (Anmerkung: Kennen sie den Film „Das Glücksprinzip“?), dass der Peer-Education-Tradition entspricht und Schülern tutorielle Aufgaben unter Gleichaltrigen zutraut (siehe auch unsere Buddy-Arbeit unter: www.wir-buddys.de).

Bei uns wird das Lernen, Medien zu verstehen und zu gebrauchen, gleichzeitig auch als Chance genutzt, die emotionale Intelligenz zu trainieren. Die Förderung der Schlüsselqualifikationen „Selbstständigkeit“ und „Kooperation“ auch und gerade bei der Medienarbeit sind die aktuellen Beiträge unseres Montessori-Medienprojekts zur Nach-Pisa-Diskussion: In Zeiten der wirtschaftlichen Krise ein besonders nützlicher Treibstoff fürs Leben!


Unseren Schülern viel zuzutrauen, ihnen Lernräume vorzubereiten bzw.tatsächliches Handeln und damit eigene Erfahrungen zu ermöglichen, ihnen dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit sie es selbst schaffen können, ist auch im Bereich der Neuen Medien beste Montessori-Tradition und hält uns „Alte“ ebenso fit beim lebenslangen Lernen.

Video-Interview zum Thema (Real-Player)

Bernd Kowol, Oktober 2002